Anwaltskanzlei Ritter

Tupfer vergessen

OL Stuttgart Az. 1 U 145/17

Wenn chirurgisches Material im Körper bleibt – Ihre Rechte als Patient

In deutschen Operationssälen gelten strenge Standards – trotzdem kommt es immer wieder vor: Tupfer, Nadeln oder andere Materialien werden versehentlich im Körper eines Patienten zurückgelassen. Solche Fehler können schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben – und sie sind rechtlich nicht hinzunehmen. Dieser Blogbeitrag behandelt die Ursachen als auch die medizinischen und rechtlichen Folgen von derartigen Versäumnissen in Krankenhäusern.

Medizinisches Versäumnis mit ernsten Folgen

Das Vergessen oder Verlieren von chirurgischem Material während einer Operation passiert selten, aber wenn es passiert, kann es für Betroffene gravierende Konsequenzen haben: chronische Schmerzen, Entzündungen, Infektionen oder sogar lebensbedrohliche Zustände. Oft ist ein zweiter Eingriff notwendig, um das Material zu entfernen – mit allen Risiken, die eine erneute Operation mit sich bringt.

Verantwortung liegt beim medizinischen Personal

In der Medizin spricht man in solchen Fällen von einem „voll beherrschbaren Risiko“. Das bedeutet: Solche Fehler dürften bei korrektem Ablauf der Operation gar nicht erst passieren. Kliniken und Ärzte sind verpflichtet, Materialien wie Tupfer oder Instrumente vor, während und nach dem Eingriff genau zu zählen und zu dokumentieren. Bleibt dennoch etwas zurück, liegt in der Regel ein Fall von grober Fahrlässigkeit vor.

Patientensicherheit: „jeder Tupfer zählt“

Zur Vermeidung solcher Zwischenfälle hat das Aktionsbündnis Patientensicherheit die Kampagne „Jeder Tupfer zählt“ ins Leben gerufen. Diese Initiative, unterstützt vom Bundesgesundheitsministerium, fordert noch mehr Aufmerksamkeit bei der Materialkontrolle im OP. Denn: Sorgfalt bei der Zählung kann Leben retten – oder zumindest viel Leid verhindern.

Solche Vorfälle fallen unter das Medizinrecht, insbesondere in das Arzthaftungsrecht als Teilgebiet des Zivilrechts. Juristisch gesehen handelt es sich um einen Behandlungsfehler, der regelmäßig auch eine Körperverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB darstellt. Ist das Verhalten des Arztes oder des Klinikpersonals grob fahrlässig – wie etwa beim Vergessen eines Tupfers im Operationsfeld –, besteht ein Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz.

Hinzu kommt: Bei grober Fahrlässigkeit kehrt sich die Beweislast häufig zugunsten des Patienten um. Das bedeutet, die Klinik muss dann nachweisen, dass kein Fehler vorlag – nicht der Patient. Dieser Grundsatz wurde von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelt und schützt Patienten in besonders sensiblen Fällen.

Schmerzensgeld trotz fehlender akuter Beschwerden

Auch wenn zurückgebliebenes Material nicht sofort Schmerzen verursacht, besteht ein Anspruch auf Schmerzensgeld. Das zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart aus dem Jahr 2018 (Az. 1 U 145/17): Dort wurde einem Patienten 10.000 Euro zugesprochen, obwohl die im Körper verbliebene Nadel keine akuten Beschwerden verursachte. Die Richter bewerteten allein das Risiko und die psychische Belastung als ausreichend für eine Entschädigung.

Ihr Verdacht – unser Einsatz

Haben Sie den Verdacht, dass nach einer Operation Material in Ihrem Körper verblieben ist? Oder leiden Sie unter unerklärlichen Beschwerden nach einem Eingriff?

Als erfahrene Kanzlei im Medizinrecht stehen wir Ihnen zur Seite. Wir prüfen Ihren Fall gründlich und setzen uns dafür ein, dass Sie zu Ihrem Recht kommen – sei es durch Schmerzensgeld, Schadensersatz oder die Durchsetzung von Patientenrechten.